Haus 
            Gottes und der Menschen
          Es ist 
            für mich jedesmal bewegend, wenn ich bei einer Taufe die Eltern, 
            Paten, Angehörigen und Familienfreunde eines Täuflings im 
            Eingangsbereich der Kirche begrüßen darf. Dann lade ich 
            die Eltern, die für ihr Kind die Taufe erbitten, ein, den Täufling 
            hineinzutragen in die Kirche. Durch dieses physische "In-die-Kirche-Hineintragen" 
            kommt etwas ganz Wesentliches der Taufe zum Ausdruck: Durch sie wird 
            das Kind aufgenommen in die Gemeinschaft der vielen Menschen, die 
            sich in dieser Kirche, innerhalb dieser Mauern, versammeln zu Gebet, 
            Bitte, Dank und Lob, eben zum Gottesdienst. 
          Kirche 
            aus Menschen
          Damit 
            wird schon deutlich, dass eine Kirche als Bau nicht einfach nur die 
            Mauern oder das Dach meint, die eben jenen Ort abgrenzen bzw. umfassen, 
            in dem sich eine Gruppe von Menschen versammeln kann, sondern dass 
            sie zum Sinnbild wird für die Gemeinde selbst, die sich in ihr 
            versammelt. Die Steine, aus der die Kirche errichtet ist, sind die 
            Gläubigen: "Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen 
            Haus aufbauen!" (1 Petr 2,5). Ohne sie bleibt ein Kirchenraum, 
            mag er noch so prächtig sein, leblos. Erst die in ihr versammelte 
            Gemeinde verleiht ihr Leben und Sinn. Daher ist zu Recht bei der Gestaltung 
            eines Kirchenraumes darauf zu achten, dass er den Anforderungen eines 
            Versammlungsraums entspricht (vgl. Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen 
            Konzils; Allgemeine Einführung ins Römische Meßbuch, 
            Nr. 280). 
          Versammlungsort 
            und Gegenwart Gottes
          Die Gemeinde 
            versammelt sich in der Kirche im Namen des dreifaltigen Gottes. Daher 
            wird jede liturgische Feier mit dem Kreuzzeichen und den Worten "Im 
            Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" eröffnet. 
            "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich 
            mitten unter ihnen" (Mt 18,20), hat Jesus seinen Jüngern 
            verheißen. Die "Gegenwart des Herrn in der liturgischen 
            Gemeinde" ist deshalb das nächste wichtige Element für 
            die Gestaltung des Kirchenraumes. Als "Fixpunkte" gelten 
            jene beiden Orte, die auf ihre je eigene Weise Christus versinnbildlichen, 
            nämlich der Altar und der Ambo (vielleicht erinnern Sie sich 
            an unsere Predigtserie zu den liturgischen Orten im vergangenen Arbeitsjahr?). 
            Sie sollen so gestaltet und im Kirchenraum situiert sein, dass erkenntlich 
            wird, dass die liturgische Gemeinschaft auf sie hin ausgerichtet ist. 
            Alles "andere" sollte den Blick darauf nicht verstellen. 
            
          Kunst 
            als Mittlerin
          Es ist 
            daher eine besondere Herausforderung für die (künstlerische) 
            Gestaltung eines Kirchenraumes, in Zeichen und Symbolen das Geheimnis 
            der Gegenwart des Herrn in der liturgischen Gemeinde darzustellen, 
            denn diese Gegenwart feiert die Gemeinde in der Liturgie. Unsere Schwestern 
            und Brüder der Ostkirchen nennen die Eucharistie die "Feier 
            der Göttlichen Geheimnisse". Kirchenräume sind in dieser 
            Hinsicht der - mehr oder weniger gelungene - Versuch, den Himmel, 
            die "göttliche Herrlichkeit", "herunterzuholen" 
            auf die Erde bzw. die Erde aufzubrechen gegen den Himmel. In vielen 
            Darstellungen von biblischen Szenen und Heiligen wird die "himmlische 
            Kirche" hereingeholt in den Kirchenraum. Es soll deutlich werden, 
            dass die liturgische Gemeinde jetzt schon teilhat an der Gemeinschaft 
            mit Gott, an jener Herrlichkeit, die ihr verheißen ist. 
          
            Barocke Kunst für heute?
          Ein Blick 
            in die Kunstgeschichte macht deutlich, wie unterschiedlich solche 
            Versuche, ganz dem Empfinden und dem Lebensgefühl verschiedener 
            Kulturepochen entsprechend, ausfallen. Der Barock versucht in einer 
            überschwänglichen Ausstattung, in Prunk und Pracht den Himmel 
            zu versinnbildlichen und in den Kuppelfresken einen direkten Blick 
            in den geöffneten Himmel zu eröffnen, den Kirchenraum in 
            diesem Sinn zu verlängern hinein in die Herrlichkeit des Himmels. 
            
            Wie gesagt, religiöses Empfinden und Lebensgefühl der Menschen 
            ändern sich, und so ist es wichtig, auch heute wieder neue Ausdrucksformen 
            zu finden, die die Liturgie nicht nur als "himmlisches Schauspiel", 
            sondern als einen konkreten und feierlichen Vollzug der von Gott geschenkten 
            Gemeinschaft zulassen. 
          fr. 
            Martin M. Lintner OSM